Mechanisches- oder chemisches Recycling: der große Vergleich
Kunststoffe maximal wiederverwerten? Das kann mechanisches und chemisches Recycling
Nicht erkannt? Wird verbrannt! Sortieren ist alles
Raus aus dem Sack, rauf aufs Rüttelband. Per Laser und Infrarot wird in Stoffarten getrennt, sofern die unterschiedlichen Kunststoffe im einzelnen erkannt werden. Falls nicht, kapituliert das Sortiersystem und die Stoffe enden im energetischen Recycling - sie werden schlicht verbrannt. Die Mehrzahl der identifizierten Stoffe erwartet chemisches oder mechanisches Recycling.
Was fällt alles unter Recycling?
Vieles, das im Abfall landet, lässt sich noch verwerten. Wertstoffe kehren zurück (Re-) in den Kreislauf (Cycle), indem aufbereitete Abfälle zu neuen Produkten werden. Was nicht recycelt werden kann, wird energetisch aufbereitet (zur Energiegewinnung verbrannt). Kompostierung innerhalb mehrerer Jahre spielt bei biologisch abbaubaren Kunststoffen eine Rolle. Hauptfaktor der Kreislaufwirtschaft ist jedoch werkstoffliches (mechanisches) Recycling, angewendet auf Materialklassen von Lithium-Ionen-Batterien über Metalle bis zu Plastik, die zerkleinert, geschmolzen und in Sekundärrohstoffe umgewandelt als neue Produkte aus recyceltem Material in neue Lebenszyklen starten. Speziell im Kunststoffrecycling unterscheidet man:
- mechanisches Recycling
- chemisches Recycling
- energetische Verbrennung
Gewusst, wohin! Noch mehr Kunststoff recyclen
Wer nicht nur Kunststoffe aus Leichtverpackungen, sondern auch solche wie Schüsseln oder Spielzeug wiederverwerten will, muss nicht nur Gelbe Säcke verteilen, sordern auch Wertstofftonnen aufstellen. Außerdem lohnt es sich, schon beim Kauf auf Kunststoff-Monomaterial zu achten: Recycling-Symbole und Ziffern auf der Verpackung verraten, was was ist - und wohin die leere Hülle eines bestimmten Materials gehört. Seit 1988 steht das Dreieckssymbol für Kunststoff. Damit Recycling in großem Umfang funktioniert, geht es nicht ohne Verbraucher, die beim Sortieren von Abfällen kompetent Hand anlegen. Die Verpackung hat kein Symbol? Kann sein, dass Deine (evtl. nicht recyclingfähige) Limodose trotz bekannter Marke aus dem Nicht-EU-Ausland kommt.
Recyclingquoten steigern? Mehr Rezyklat & Design for Recycling
Seit 2019 gilt ein neues Verpackungsgesetz, das höhere Recycling-Quoten bei Kunststoff- Verpackungen vorsieht - seit 2022 63 Prozent. Ob Deutschland dieses Ziel erreicht hat, bleibt abzuwarten. Außerdem gilt in der EU seit 2021 folgender Anreiz: Je mehr nichtrecyclter Kunststoff, desto höher der Mitgliedsbeitrag; auch Rezyklat-Quoten für jedes Produkt sind im Gespräch. Für Letzteres könnten niedrigere Hürden für den Rezyklateinsatz nötig werden - etwa bei der Haltbarkeit von Kunststoffverpackungen. Für Lebensmittelverpackungen allerdings gilt zu Recht ein hoher Standard. Was tun? Design for Recycling als Strategie sieht Verpackungsdesign nie getrennt von späterer Wiederverwertung. Um nur zu produztieren, was sich maximal recyceln lässt, müssen Verpackungshersteller schon bei Produktdesign und Materialauswahl einplanen, dass das fertige Produkt sein Recyclingpotenzial voll ausreizt.
Gut getrennt ist halb recycelt! Sortiertechnologien
Irgendwo landet er, der ganze Plastikmüll: 2019 wurden 46 Prozent werkstofflich (mechanisch) verwertet, aber noch immer 53 Prozent verbrannt. Dabei funktioniert mechanisches Recycling technologisch schon jetzt ausgezeichnet. Verwertungsanlagen erkennen die Kunststoffsorten und trennen sie möglichst sortenrein in Materialklassen wie PET, Folie und Mischkunststoffe, z. B. bei Standbodenbeuteln. Verfahren ist die Nah-Infrarot-Spektroskopie (NIR), die sich zu Nutze macht, dass Plastikarten verschiedene Wellenlängen reflektieren. In Kombination mit Kamera-Objekterkennung steht NIR für zuverlässige Sortierquoten - von dunklen Verpackungen abgesehen. Infrarotlicht identifiziert den Plastiktyp automatisch, ein Programm wertet die NIR-Infos aus - und die Verpackung fliegt in den passenden Auffangbehälter. Eine weitere, leider noch relativ teure Technologie ist die Laserspektroskopie für die Feinsortierung geschredderter Kunststoff-Flakes. Denn auch unter solchem Rezyklat sind noch unerwünschte Fremdstoffe: Laser spürt auch diese auf - und lässt sie im Dunkeln verräterisch leuchten. Laserspektroskopie detektiert sogar schwierige Stoffe wie PVC (leicht mit PET zu verwechseln), Verbundmaterialen und pflanzenbasierte Kunststoffe (PLA).
Innovationen im mechanischen Recycling: AMR, TBS und Digital Watermarking
Im Advanced Mechanical Recycling (AMR) durchläuft Verpackungsmüll, der sogar Hausmüll enthalten darf, verschiedene Stationen: Abfall wird heiß gesäubert, gewaschen und von Gerüchen befreit. Der Lohn der Mühe? Ein mit Neuplastik vergleichbares Rezyklat, das für funktionsgleiche Produkte sorgt - aber zum Preis hohen Energieverbrauchs. Tracer-based Sorting (TBS) dagegen tritt an, den Sortier-Output konventioneller Recyclinganlagen zu vergrößern, indem Verpackungen schon bei der Herstellung fluoreszierend markiert werden. Regt Laserlicht diese Tracer an, beginnen sie zu leuchten - jeder Kunststoff in einer anderen Farbe. So erkennt die Anlage die Sorten an der Farbcodierung - sinnvoll z. B. bei Multilayer-Verpackungen aus mehreren Kunststofflagen. Spezielle Kennzeichnung gewährleistet, dass TBS sie gleich zu Anfang aussondert. Eine Alternative zu TBS ist das Digital Watermarking, das Verpackungen mit einem digitalen, für das Auge unsichtbaren Wasserzeichen versieht. Informationen, die während des Sortiervorgangs von Sensoren ausgelesen werden - ganz gleich, ob die Verpackung verschmutzt oder verbeult ist - oder das Etikett fehlt.
Wie nachhaltig ist mechanisches Recycling?
Mechanisches Recycling, die Verarbeitung von Plastikabfällen zu Kunststoffgranulaten, lässt die chemische Struktur sortenreiner Kunststoffe unverändert. Kunststoffmüll wird von Schmutz und Essensresten befreit und in Anlagen mit scharfen Messern zu Flakes zerschnitten - Klingen, die täglich gewechselt werden. Aufbereitet und eingeschmolzen werden die Flakes zu Sekundärrohstoffen (wie Regranulat) für neue Kunststoffprodukte. Klingt unkompliziert, aber wie nachhaltig ist mechanisches Recycling? Nachgewiesenermaßen klimafreundlicher als chemisches Recycling: Zur Erstellung der EU-Richtlinie über Verpackungen und Verpackungsabfälle (PPWD) haben Experten im Auftrag von Zero Waste Europe (ZWE) und Rethink Plastic den jeweiligen Rezyklatanteil in Verpackungen aus mechanischem bzw. chemischem Recycling betrachtet. Herauskam, dass chemisches Recycling (per Pyrolyse) nicht nur mehr Treibhausgase (THG) verursacht, sondern auch der Materialverlust den von mechanischem Recycling übersteigt. Fazit? Bei einer um ein Fünftel geringeren Verpackungsmenge liegen die THG-Emissionen beim mechanischen Recycling um 45 Prozent niedriger, verglichen mit chemischem Pyrolyse-Recycling.
Welchem Prinzip folgt chemisches Recycling?
Nicht immer ist es wirtschaftlich und (umwelt-)technisch sinnvoll, Kunststoffe mechanisch zu recyceln - wie bei Verpackungen aus Polymerschichten mit jeweils unterschiedlichem Schmelzpunkt. Chemisches Recycling führt die chemische Struktur von Kunststoffen auf ihre Bausteine, sprich Polymere und Monomere, zurück. Rohstoffliches Recycling produziert also molekulare Fragmente, die anschließend neue Synthesen eingehen - die Basis, um Chemikalien, Brennstoffe und neues Plastik zu produzieren. Dazu bedient sich chemisches Recycling folgender Techniken:
- Solvolyse (Auflösen)
- Depolymerisation (Zergliedern)
- Vergasen
- Pyrolyse (Aufspalten)
Bei der Aufspaltung von Kunststoffmüll entstehen Synthesegas und (halb-)flüssige Stoffe. Depolymerisation bricht bestimmte Kunststoffarten wieder auf Monomere herunter.
Welche Vorteile bietet chemisches Recycling?
Thermochemische Prozesse können auch farbige, mehrschichtige und aus verschiedenen Stoffen bestehende Kunststoff-Verpackungen verflüssigen - sortenreines Vorsortieren verzichtbar. Chemisches Recycling befreit Verpackungsmaterialien von Farb-, Duft- und Zusatzstoffen. Verpackungen, die aus Seite: 3 von 6 einer Kombination verschiedener Kunststoffe bestehen, dividiert chemisches Recycling auseinander. Das Ergebnis sind sehr hochwertige Kunststoffe als erdölfreie Alternative, einsetzbar in sensiblen Bereichen wie Lebensmittelverpackungen, Spielzeug oder Gesundheitsprodukten. Mechanisch recycelte Kunststoffe müssen hier meistens passen. Außerdem braucht es für komplexe Anwendungen wie Windräder oder E-Autos chemisches Recycling, weil nur dieses deren Verbundkunststoffe effektiv verwerten kann. Auch bedeutet mehr chemisches Recycling weniger Deponien weltweit - und damit einen schrumpfenden CO₂-Fußabdruck von Produkten aus Plastik. Und wenngleich nicht flächendeckend Praxis, ist das prozentuale Potenzial der Wiederverwertung durch chemisches Recycling größer als durch mechanisches Recycling. Möglichkeiten, die besser ausgeschöpft werden könnten, indem man Raffinerieprozesse bestehender fossiler Ölraffinerien stärker nutzt.
Kunststofferzeuger: Chemisches Recycling soll ins Verpackungsgesetz!
Bietet chemisches Recycling der Kreislaufwirtschaft Chancen - oder überwiegen die Risiken? Mitgliederfirmen von Plastics Europe bezeichnen folgende Auffassungen zu rohstofflichem Reycling als Mythen:
- Anlagen für großindustrielles chemisches Recycling gibt es noch nicht
- chemisches Recycling verbraucht zuviel Energie
- giftige Nebenprodukte sind typisch für chemisches Recycling
- es kommt unterm Strich zuwenig neues Material heraus
- wo in chemisches Recycling investiert wird, drohen Abstriche für mechanisches Recycling
Plastik ist keine Kohle oder: Was kann chemisches Reycycling per Pyrolyse?
Wer hat Recht? Immer der, den man fragt
Es scheint, dass sich mit den Befürwortern chemischen und mechanischen Recyclings zwei Fronten gegenüberstehen - kontraproduktiver Stillstand anstelle gemeinsamer Zukunftsanstrengungen. Zumal beide Seiten ihre Argumente mit Forschungsergebnissen unterfüttern. Etwa beim Thema Energiebedarf: Fragt man Akteure rohstofflichen Recyclings, ist dessen Energiebedarf mit dem für mechanisches Recycling durchaus vergleichbar; bei der Pyrolyse soll dieser ca. fünf Prozent des Einsatzstoff-Brennwerts ausmachen. Zumal chemisches Recycling seine Energie komplett über die Verbrennung nicht verwertbarer Rückstände abdecke. Zugegeben - das Endprodukt heißt hier nicht Regranulat, aber dafür sei die Rückführung von Kohlenstoff und Energie viel höher als bei Verbrennung. Außerdem entstünden bei jedem Recycling Schadstoffe. Damit diese nicht in die Umwelt gelangten, existiere mit der EU-REACH-Verordnung eine der weltweit strengsten Stoffrechtsvorgaben.
Zusammengefasst: Welches Verfahren für welche Kunststoffabfälle?
Kunststoffströme für chemisches Recycling sind grundsätzlich:
- sortierte, stark verunreinigte Monoströme
- Stoffe mit Geruchs- und Farbverbindungen
- mechanisch schwer zu Recycelndes wie PVC-Verpackungen und
- Laminate
- PET-Verpackungen wie Plastikbecher aus schwer trennbaren Schichten mit verschiedenen Schmelzpunkten
- Kunststoffe, die Kommunen derzeit noch mit dem Restmüll verbrennen
Kunststoffabfälle für mechanisches Recycling werden
- zu Sekundärrohstoffen
- ohne Aufspalten chemischer Verbindungen zu Produkten
- mechanisch zerkleinert oder per Extruder aufgeschmolzen
- zu Kunststoffgranulat
- je nach Verunreinigungsgrad zu qualitativ unterschiedlichen Kunststoffen
Die Regeln für den Einsatz solcher Granulate in Lebensmittelverpackungen sind streng. Aber prinzipiell bewältigt mechanisches Recycling schon
- Kunststofffolien -
- unbedruckte, transparente LDPE-Folien
- Stretchfolien
- leicht bis stärker bedruckte und gefärbte Folien,
um aus Post Consumer Recycled Content (PCR) akzeptable Qualitäten von transparenten LDPE-Rohstoffen herzustellen.