Druckfarben: Welchen Einfluss haben sie auf das Verpackungsrecycling?
Hauptsache bedruckt und migrationsarm - genügt das?
Eine ganze Menge! Auf Basis von Vorgaben, die schon lange vor dem Entleeren blauer Papiertonnen greifen: So gibt es für die Herstellung von Lebensmittelverpackungen strenge gesetzliche Vorgaben, damit keine Stoffe auf die verpackten Lebensmittel übergehen (Migration) - erkennbar an Geruch oder Geschmack. Leider galt bis vor kurzem noch oft die Faustregel: Je in sich robuster die verwendete Druckfarbe, desto geringer die Migrationsgefahr - aber umso kniffliger auch das Bemühen, solche Farben im Recycling erneut vom Trägermaterial zu lösen. Inzwischen wird mehr verlangt, denn je recyclingfähiger eine Verpackung in der Summe, desto günstiger ihre Ressourcen- und Umweltbilanz.
Kleines ABC der Druckverfahren: Welche Farben nutzt Verpackungsdruck?
Zeig' mir, womit du druckst - und ich zeige dir, wie nachhaltig du produzierst! Je nach Verpackungstyp, aber auch Auflagenstärke kommen spezifische Druckfarben und Veredelungen zum Einsatz, von Digitaldruck-Tinten über Offset- bis zu Flexodruck-Farben, lösemittel- oder wasserbasiert oder als UV-Druckfarbe. Verpackungen in kleiner bis mittlerer Stückzahl benötigt? Im Tintenstrahl-Digitaldruck entstehen ab der allerersten Auflage hochauflösende Drucke; individuelle Druckbilder und Personalisierungen sind stückzahlgenau machbar - bis zu realistischen Holzstrukturen in 3D. Die Digitaldrucktinten dazu? Gibt es in CMYK, Hexachrome und als Sonderfarben wie Weiß - auf Wasserbasis oder als wasserbasierte Tinte mit Polymeren (als Alternative zu UV-härtenden Lösungen). Außerdem lassen sich Digitaltinten - z. B. für die Lebensmittelbranche - nach Kundenanspruch konzipieren, um z. B. den Vorgaben an indirekten Lebensmittelkontakt (über Folieninnenseiten etc.) zu genügen. Inzwischen werden - neben nationalen Regelungen - für Digitaldrucktinten zunehmend die Regeln der amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) zur Richtschnur. Wie druckt es sich mit modernen Digitaldrucktinten? Ohne Geruchsbelästigung, direkt ohne Vorbehandlung und ohne UV-Aushärtung! Die Tinteneigenschaften lassen sich steuern - von der Trocknungszeit auf dem Substrat bis zur Deinkbarkeit bei Papieroberflächen. Außerdem auf dem Vormarsch: Die Entwicklung eigener Pigmente aus nachwachsenden Rohstoffen.Offset-Verpackungsdruck: Was ist typisch für Offsetfarben?
Unverkennbar zähflüssig - das sind Offsetdruck-Farben! Nur so gelingt der Transport über die Walzen dieses indirekten Druckverfahrens. Offset-Druckfarben bestehen aus Pigmenten, Bindemitteln und Additiven, je nach Bedruckstoff anders zusammengesetzt.
Wertiger Offsetdruck erfreut durch scharfe Schriftwiedergabe und die Option, auch in Sonderfarben und großformatig zu drucken. Offset ist erst in hohen Auflagen kostengünstig, aber läuft dann zur Höchstform auf. Zum Beispiel im neuartigen Electron - Beam - Offsetverfahren (EB-Offset), bei dem Strahlung die Farbbestandteile zum Verbinden anregt. Die migrationsarmen, lösemittel- und weichmacherfreien EB-Farben ohne Fotoinitiatoren sind perfekt für Lebensmittel- und Pharmazie - und trocknen schnell. Sie haften auf Papier und Kunststofffolien wie PVC, PE, PP u. v. m. (ggf. mit Druckvorbehandlung) bei hoher Glanz- und Farbintensität, sind lackier- und kaschierbar. Aber nicht unkompliziert: Ungeöffnete Gebinde können maximal sechs Monate gelagert werden - kühl, trocken und unter Lichtausschluss.
Gelungene Verbindung und Haftung: Druckfarbe und Trägermaterial
Offsetdruck druckt flach, Flexodruck hoch - was drucken soll, steht aus der elastischen Polymer-Druckplatte heraus. Versandkartons, Etiketten oder Standbodenbeutel zählen zu den klassischen Kandidaten für den Flexodruck. Auf Saugfähigem wie Wellpappe punktet Flexodruck mit hohen Rasterweiten, exzellenter Farbbrillanz, wasserbasierten Druckfarben und feinsten Farbverläufen. Ganz gleich, welches Druckverfahren - ob Flexo, Offset oder digital- Trägermaterial und Druckfarben müssen präzise harmonieren. Etwa, um auch verlässlich auf Kunststoff zu haften: Solche Druckfarben sind so zusammengesetzt, dass sich mit ihnen ABS, Polycarbonat (PC), PMMA oder Polyester direkt ohne Vorbehandlung bedrucken lassen. Andere Kunststoffe wie wasseraufnehmendes Polyamid (PA) , wasserabweisendes Polypropylen (PP) oder Polyethylen (PE) sind vor dem Bedrucken vorzubehandeln, etwa mittels
- Corona, elektrische Teilentladung spaltet die Oberfläche auf
- Primer, flüssiger Haftvermittler verbessert die Haftung
- Ethanol, entzieht dem Kunststoff kurzfristig Flüssigkeit
So öffnen sich solche Oberflächen für ein kurzes Zeitfenster - für ein Bedrucken mit hohen Haftungseigenschaften.
Schnell trocknen und durchhärten! UV-Druckfarben
Wellpappe zu bedrucken ist unkomplizierter, weil hier meist schnelltrocknende, umweltgerechte Druckfarben genügen - lösungsmittelfrei, ohne giftige Inhaltsstoffe und aus organischen Pigmenten. So sind bei der Altpapieraufbereitung keine Sonderabfälle zu beklagen. Klingt von Haus aus nachhaltiger? Ist es auch. Trotzdem geht es in der Lebensmittelindustrie nicht ohne Kunststoffe und Folienverpackungen: Um Migration kleinmolukularer Druckfarbenbestandteile in Füllstoffe zu vermeiden, braucht es Barrieren bei der Folienverarbeitung, aber vor allem migrationsarme Druckfarben, die schnell trocknen und durchhärten.
Wie migrationsarm sind Druckfarben auf Lösungsmittelbasis? Sofern die Lösungsmittel während der Trocknung komplett verdunsten, entfällt das Migrationsproblem. Ein spezieller Fall dagegen sind UV-härtende Druckfarben und Lacke, die - für minimale Migration - unter UV-Strahlung zu einem starken Farbfilm aushärten müssen. Hochreaktive (selbst nicht UV-reaktive) Bindemittel sorgen für die komplette Vernetzung aller Druckfarben-Bestandteile. So bombensicher, dass die Frage naheliegt: Wie sollen solche derart vernetzten Inhalte im Recycling wieder getrennt werden?
Kunststoff-Verpackungen recyclen - was passiert dabei?
Denn Recycling ist in allererster Linie Trennen! Besonders die verlangten Recyclingquoten für Kunststoffe steigen fortlaufend. Das sortenreine Sortieren und Recycling mehrschichtiger Verpackungen wie Verbundverpackungen oder Multilayer-Folien nach Materialien gerät zur Herausforderung. Magneten, Siebe und Infrarotscans machen den Job, erst dann wird aufgearbeitet. Bestimmte Zielkunststoffe sind aus Mischkunststoffen oder Kompositen herauszulösen, werden zu Regranulaten verarbeitet und zu Flakes zerkleinert - etwa für neue Verpackungen.
Wohin mit der Druckfarbe? De-Inking
Wohin mit den Druckfarben in Altpapier und Verpackungskarton? Wer kein naturgraues Recyclingpapier möchte, muss sie per De-Inking herausziehen: Dazu werden bedrucktes Papier bzw. Kartonagen mechanisch zerkleinert und unter Wasserzugabe zu einem Altpapierbrei, bereit für die so genannte Flotation. Jetzt wird Chemie zugesetzt, wie z. B.
- Komplexbildner
- Natronlauge
- Tenside
- Wasserstoffperoxid
Das Ergebnis nach De-Inking und ggf. Bleichen: Attraktives Papier und Recycling-Wellpappe. Die herausgelösten Druckfarben allerdings zeitigen belastete Abfälle.
Welches Material eignet sich für De-Inking?
Mit der Ingede-Methode 11 (Ingede, Internationale Forschungsgemeinschaft De-inking-Technik e.V.) wird die Recyclingfähigkeit eines Druckprodukts gem. DIN Spec 55700 und ISO 21993 bewertet. Mithilfe einer Substratprobe wird geprüft, wie sich ein bedrucktes Material beim De-Inking verhalten wird. Ein Standard, der sicherstellen soll, dass stets die optimale Technologie genutzt wird, um Papierfasern und Druckfarben zu trennen. Deinking funktioniert nur dort, wo die Druckfarben - ebenso wie die eingesetzten Chemikalien - hydrophob, also wasserabstoßend sind. Wie Offset-Druckfarben, deren Erzeugnisse einen großen Anteil der Printprodukte stellen, während sich Veredelungen wie Lacke oder auch manche Digitaldruckfarben einem De-Inking widersetzen. Ebenso, wie die genannten, stark vernetzten UV-härtenden Farben, die sich praktisch nicht herausschwemmen lassen - doch Farbenhersteller arbeiten auch daran!
Welche Rolle spielen Druckfarben im Recycling von Kunststoff-Folien?
Wie bedrucktes Papier finden auch bedruckte Kunststofffolien ihren Weg zurück in den Wertekreislauf. Seit 2019 beschäftigt sich die Initiative PrintCYC (Projektinitiative für Printed Films for Mechanical Recycling), darunter führende Maschinen- und Druckfarbenhersteller entlang der Wertschöpfungskette, mit der Frage, welche Rolle Druckfarben für die Reyclingfähigkeit von verschiedenen Kunststofffolien bzw. polyolefinbasierter Verpackungsfolien spielen. Die Antwort: Der Einfluss von Druckfarben auf Recycling-Prozesse, die Qualität von Regranulaten und deren Verarbeitbarkeit ist immens! Industrieversuche zeigten, dass sich organische und anorganische Farbpigmente von Flexodruck und Tiefdruck so gut recyclen lassen, dass die erreichten Rezyklate jedem Vergleich mit Neuprodukten standhalten. Zum Projektstart produzierte die Initiative PP- und PE-Folien und Verpackungsmuster, die zu über der Hälfte aus Rezyklat postindustrieller Quellen stammten.
Die Untersuchung der Bindemittel NC (Nitrocellulose), PU (Polyurethan) und PVB (Polyvinylbutyral) ergab: Weil extrem temperaturbeständig, ist PU die beste Wahl beim Thema mechanisches Recycling ohne De-inking.
Wie beeinflussen Pigmente die Rezyklierbarkeit bedruckter Verpackungsfolien?
Bei anorganischen Pigmenten schien die Sache klar: Im Allgemeinen temperaturstabil, war damit zu rechnen, dass diese ohne Zersetzung recycelbar sein würden. Aber wie würden organische Azo-Pigmente wie temperaturempfindliche, klassische Tief- und Flexodruck Rot- und Gelbpigmente reagieren - würden sie sich in kritische Einzelkomponenten aufspalten? Das Ergebnis begeisterte: Beide Pigmentarten punkteten mit guter Rezyklierbarkeit und geruchsfreien, einwandfreien, farbstabilen PP-Rezyklaten. In einer ersten Phase wurden biaxial orientierte PP-Folien (BOPP) mit Druckfarbe auf Nitrozellulose (NC) Basis bedruckt, aber die Rezyklatqualität war bei Farbe, Geruch und Verarbeitbarkeit noch nicht zufriedenstellend. Also testete man alternative Farbrezepturen für den Druck auf BOPP- und Low Density Polyethylen (LDPE)-Folien.In Phase 2 stellte man auf ein Polyurethan (PU) basiertes Farbsystem im Flexodruck um. Es zeigten sich signifikante Verbesserungen im mechanischen Recyclingprozess, hohe Temperaturbeständigkeit der Druckfarben bei über 240°C ohne flüchtige Nebenprodukte, ohne Ausgasen, ohne Geruch. Die Rezyklate punkteten mit farbstabilen Eigenschaften. Auch die Umweltbilanz konnte sich sehen lassen: Im Vergleich zur Neuproduktion waren Treibhausgasemissionen und Energieverbrauch beim werkstofflichen Recycling von LDPE-Folien deutlich geringer. Um zu sehen, wie leistungsstark die Rezyklate wirklich waren, kamen die Materialeigenschaften auf den Prüfstand. Der Migrations-Screening-Test durch ein Schweizer Qualitätsprüflabor (Basis: Grenzwerte der Verordnung (EU) Nr. 10/2011 und Schweizer Bedarfsgegenständeverordnung 823.023.21) zu Materialien und Gegenständen mit Lebensmittelkontakt wurde mit Bravour bestanden. Bahn frei für die Wiederverwendung der Premium-Rezyklate mit ausgezeichneten Weiterverarbeitungseigenschaten, in vielen Folien- und Verpackungslösungen!
Maximaler Altpapiereinsatz: Druckprozesse müssen sich ändern!
Was tun mit den immer beliebteren, weil schnell aushärtenden UV-Druckfarben? Geht es ans Papierrecycling, machen vernetzende Druckfarben Probleme, weil sie sich anders als klassische Offset- und Tiefdruckfarben beim De-Inking kaum von den Papierfasern lösen lassen. Flüssigtoner, polymerisierende Pflanzenöle in mineralölfreier Farbe oder auch Dispersionslacke führen zu großen Partikeln; Spuren im Recyclingpapier sind unerwünscht. Nicht nur im Bereich Folienverpackung, auch bei Papier und Karton müssen sich (UV-)Druckprozesse ändern. Seit 1989 hat INGEDE, ein Zusammenschluss europäischer Papierhersteller, das Ziel, die Wiederverwertung grafischer Druckprodukte zu neuen, weiß gedeckten Verpackungspapieren und Kartons zu forcieren und Rahmenbedingungen für einen maximalen Altpapiereinsatz zu schaffen.
FEFCO: Katalog zur Normierung von Versandverpackungen
Grundsätzlich zählen Papier und Wellpappe zu den nachhaltigen, erneuerbaren und exzellent recycelbaren Verpackungsmaterialien - und übersteigen sogar Metall, Kunststoff und Glas bei den europaweiten Recyclingquoten. Die FEFCO (Fédération Européenne des Fabricants de Carton Ondule), mit Sitz in Brüssel, vertritt seit 1952 die Interessen der Wellpappenindustrie. Um die Kommunikation zwischen Wellpappherstellern und Kunden zu vereinfachen, führte die FEFCO zusammen mit der ESBO (Europäische Organisation für Vollpappe) den FEFCO-ESBO-Code ein - einen international verbindlichen Code zur Normierung von Versandverpackungen aus Voll- und Wellpappe. Alle inzwischen über 200 verschiedenen, genormten Verpackungstypen findest du im FEFCO-Katalog - jeder einzelne hat seinen eigenen Code. So gehört z. B. FEFCO 01 für Faltschachteln (Faltkisten) zu den FEFCO-Grundtypen - und Produkte wie der Faltkarton FEFCO 0201 zu den meistgenutzten Verpackungsmitteln.
Neue FEFCO-Recycling-Guidelines für Kartonverpackungen
Jetzt packt die FEFCO mit den aktuellen Recycling-Guidelines (November 2021) noch ehrgeizigere Ziele an. Um die Recycelbarkeit von Papier- und Kartonverpackungen weiter zu verbessern, sind folgende Maßnahmen geplant:
- Weitgehender Verzicht auf Kunststoffe in Verpackungen aus Papier und Wellpappe, einschließlich biologisch abbaubarer Varianten - mit einem Kunststoffanteil von unter 5 Prozent des Verpackungsgewichts, im Idealfall unter 3 Prozent.
- Dort, wo die Trennung von Papier und Kunststoff schwierig ist: Verzicht auf bestimmte problematische Kunststoffe wie z. B. Polymere mit geringer Scherfestigkeit, die die Eigenschaft haben, in Stofflösern zu zerfallen. Für Kunststoffe mit derselben Dichte wie Papierfasern braucht es Alternativen.
- Trennbare Verpackungsbestandteile aus Kunststoff wie Laminierungen müssen künftig leichter von Papier und Karton lösbar sein - etwa durch wasserbasierte Verfahren. Noch besser: Lösungen, die es Endverbrauchern erlauben, solche Kunststoffe selbst dem passenden Abfallstrom zuzuführen!
- Vom Einsatz UV-gehärteter Lacke wird abgeraten, da sich diese konventionellen Entfärbungsverfahren teilweise widersetzen. Auch Lacke, die feine Partikel von Polymeren und Wachse enthalten, sind zu vermeiden, da deren rückstandsfreie Beseitigung in der Papierproduktion Probleme macht.